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Schule als evolutionäre Organisation

Frederic Laloux berichtete in seinem Buch Reinventing Organizations von einer neuen Form in der sich Unternehmen organisieren, die er als evolutionär bezeichnet. Er beschreibt historische Formen bis hin zu der heute weitestgehend üblichen, modernen, hierarchischen Organisation (Metapher: Maschine), einer postmodernen, werteorientierten Organisation (Metapher: Familie) und letztlich eine aufkommende evolutionäre, selbstorganisierte, ganzheitliche Organisation (Metapher: lebendiger Organismus).

 

Wie jede der Organisationsformen, kommt auch die evolutionäre mit Durchbrüchen, die Laloux wie folgt beschreibt und ich im Lichte unserer Schule interpretieren möchte:

 

1. Selbstmanagement: Anstatt zahlreicher Hierarchieebenen, die alles überblicken können sollen, bestimmen selbstorganisierte, auf die Wertschöpfung der Unternehmung fokussierte Teams die Organisation. Entscheidungen können durch jede Mitarbeitende getroffen werden, wenn sie sich vorher mit den Betroffenen beraten hat. Anstatt eines verwässernden Konsenses steht also die Möglichkeit mutige Entscheidungen eigenverantwortlich zu treffen. Jeder übernimmt Verantwortung und füllt die Rollen aus, die es in der Organisation benötigt.

 

2. Ganzheit: Mitarbeitende können sich mit ihrem ganzen Selbst zeigen. Da jede bestmöglich das tut, was sie in die Organisation einbringen möchte, gibt es weniger Konkurrenz. Konflikte werden durch frühes Feedback vermieden und bei Notwendigkeit transparent bearbeitet.

 

3. Evolutionärer Zweck: Finanzieller Erfolg ist kein Selbstzweck, sondern eine Konsequenz aus dem Fokus der Unternehmung auf einen gemeinsamen Sinn. Jede Mitarbeitende wird dafür sensibilisiert auf den wahren Sinn zu lauschen und die Organisation weiterzuentwickeln.

 

Wo sehe ich uns in dieser Einordnung?

 

1. Selbstmanagement: Im Vergleich zu einer staatlichen Schule, haben wir hier schon vor über 100 Jahren einen ersten Schritt getan. Im Vergleich zur Struktur der ersten Waldorfschule sind wir jedoch deutlich gewachsen und haben unsere Organisation eher an hierarchischen Systemen orientiert und gleichzeitig versucht gemeinsam zu entscheiden. Unsere Wertschöpfung ist aber der Unterricht und auf diesen müssen wir uns wieder stärker ausrichten. Die Teams müssen in einer handhabbareren Größe wieder mehr Verantwortung übernehmen können und Entscheidungen treffen können, die den Ansprüchen der Waldorfpädagogik gerecht werden.

 

2. Ganzheit: An erster Stelle steht für Rudolf Steiner die Selbsterziehung der Pädagogin. Nur das was vorgelebt wird, kann das Kind wirklich ansprechen. Eine Umgebung zu schaffen, in der wir mit unserem ganzen Selbst einen Platz haben, ist dafür eine notwendige Basis. Wir werden an einer Organisation arbeiten müssen, in der jeder sich einbringen kann wie es nötig ist, ohne den Kampf um ausreichende Stunden für ein finanzielles Auskommen.

 

3. Evolutionärer Zweck: Was ist der Sinn unserer Schule? Ist es das Anbieten von Bildung auf einer liebevolleren Basis für unserer Schüler:innen? Ist es das Ansprechen unterschiedlicher Fähigkeiten, kognitiv, künstlerisch, handwerklich? Oder ist es, einen neuen Blick auf das Potential jedes einzelnen Individuums zu ermöglichen? Mein Herz kann nur lauschen, wenn mein Geist zur Ruhe kommen kann. Ein Ziel unseres Schulentwicklungsprozesses ist es dieses Hören auf den Sinn wieder zu ermöglichen.

 

Niemand kann heute sagen, wo wir in den kommenden Jahren sein werden. Als ich mich in den letzten Wochen mit diesem Thema intensiv auseinandergesetzt habe, wurde mir wieder deutlich, dass es darum auch gar nicht geht. Wir müssen uns als Organisation weiterentwickeln um für unsere aktuellen und zukünftigen Mitarbeitern attraktiv zu sein. Aber vielmehr müssen wir doch unseren Schüler:innen vorleben was für ein Potential selbst eingefahrene Organisationen wie eine Schule haben und dass wir sie auf ein Leben vorbereiten, das mehr Möglichkeiten hat als nur den üblichen Weg.

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