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Gastbeitrag aus Siegen

Liebe Schulgemeinschaft,

nach dem intensiven Austausch zum Thema Klassenteams beim Kamingespräch mit vielen Anregungen, Fragen und hoffnungsvollen Blicken nach vorne, haben wir dieses Mal einen Gastbeitrag von Anabell Dreber, der geschäftsführenden Vorständin Personal von der Waldorfschule in Siegen. Sie berichtet uns von deren Weg zu einer neuen Schulstruktur. Ein Thema, das uns die nächsten Monate beschäftigen wird. Ich bin sehr froh, dass wir mit Siegen, Satzvey, Krefeld und einem wachsenden Kreis weiterer Waldorfschulen gemeinsam vorangehen.

Herzlichen Dank an Anabell Dreber für diesen Beitrag!

 

Viele Grüße

Martin Konrad

Wie die Rudolf Steiner Schule Siegen – Freie Waldorfschule e.V. zu drei hauptamtlichen Vorständen kam

von Anabell Dreber

 

Es ist Zeit für neue Wege. Das klassische Modell der Waldorfschule basiert auf der Idee der Selbstverwaltung: Lehrkräfte und Eltern führen gemeinsam – mit der Unterstützung von Verwaltungskräften – die Schule. Als in den 1970er- und 1980er-Jahren viele Waldorschulen gegründet wurden, funktionierte dieses System gut. Lehrerinnen und Lehrer lebten für ihren Beruf. Kollegen, die schon lange dabei sind, berichten, wie Konferenzen von 16 bis 24 Uhr keine Seltenheit waren und man gelegentlich sogar in der Bibliothek übernachtete, weil sich Heimfahren nicht mehr lohnte. Eltern unterstützen die Schule, indem sie fester Bestandteil von verschiedenen Schulorganen wurden: Im Vorstand, im Basar- und Baukreis, in der Schulküche, der Bibliothek und bei zahlreichen anderen Gelegenheiten konnte man Väter und Mütter im Dienst der Schule erleben.

 

Glücklicherweise ist es noch heute – gut 30 bis 50 Jahren später – so, dass die Lehrkräfte nicht irgendeinen Job machen, sondern ihr Tun als Berufung bezeichnen. Auch Eltern entscheiden sich für die Waldorfschule, weil sie von dem pädagogischen Konzept – dem Lernen mit Kopf, Herz und Hand – überzeugt sind. Und dennoch müssen wir uns eingestehen, dass Leben und Werte im 21. Jahrhundert sich verändert haben.

 

Die so genannten Generationen Y und Z, die mittlerweile als Lehrerinnen und Lehrer an den Schulen angekommen sind, lieben ihren Beruf, keine Frage. Gleichwohl fordern sie – zurecht – ein privates Leben, das Raum für ein Leben außerhalb der Schule bietet. Familie, Freunde und Hobbys haben einen hohen Stellenwert und Konferenzzeiten bis in die Nacht hinein sollten die absolute Ausnahme bleiben. Immer mehr entscheiden sich bewusst für einen geringeren Stundenumfang, selbst wenn sie dadurch ein geringeres Gehalt in Kauf nehmen müssen.

 

Die Eltern der Schülerinnen und Schüler wiederum sind heute oftmals beide berufstätig. Die Zeit, die ihnen für die Familie bleibt, investieren sie verständlicherweise nur bedingt in eine ehrenamtliche Tätigkeit in die Schule.

 

Zu diesen neuen Lebensumständen der Beteiligten kommt hinzu, dass die Komplexität der Aufgaben deutlich zugenommen hat. Arbeitsrecht, Lehrkräftemangel, staatliche Vorgaben und Bürokratie sind nur einige der heutigen Herausforderungen. Der Ruf nach Professionalität und Qualitätssicherung wurde auch an unserer Schule immer lauter. Wichtig ist zu erwähnen, dass dies kein Vorwurf an die bisherigen Akteure ist. Vielmehr ist es so, dass Lehrerinnen und Lehrer sich der Pädagogik widmen sollen und wollen. Eltern wiederum fehlt schlichtweg ein tiefer Einblick, wenn sie erst am Abend an die Schule kommen und so nur einen rudimentären Ausschnitt von den dortigen Abläufen erhalten.

 

Im Herbst 2020 wurden im Zuge einer neuen Vereinssatzung drei hauptamtliche Vorstände installiert, die somit fester Bestandteil des Schullebens wurden. Ihre Arbeitsschwerpunkte liegen jeweils in den Finanzen, der Pädagogik und dem Personal.

 

Nun mag man von außen im ersten Moment meinen, dass die Selbstorganisation damit aufgehoben und eine hierarchische Struktur etabliert worden sei. Dies ist jedoch keinesfalls die Idee. Vielmehr verstehen die drei Vorstände sich als Dienstleister, die dem Kollegium den Rücken freihalten, damit deren ganze Kraft in das Wirken mit den Kindern fließen kann. Es ist richtig, dass hier nun Entscheidungen getroffen werden können und nicht mehr alle miteinbezogen werden müssen. Dieses Gefühl sollte im besten Fall jedoch gar nicht entstehen. Prämisse ist es, die Betroffenen zu Beteiligten zu machen. Im Sinne von Beratung holen sich die Vorstände Meinungen und Perspektiven ein bevor Entscheidungen getroffen werden. Auf diese Weise laufen Prozesse effizienter als zuvor. Zudem kann so sichergestellt werden, dass Wissen und Verantwortung gebündelt werden. Höchstmögliche Transparenz und Kommunikation sind Schlüssel für ein gutes Gelingen, damit jede:r in der Schulgemeinschaft sich weiterhin eingebunden und nicht übergangen fühlt. Das ist mit Sicherheit eine große Herausforderung und ein Aspekt, der geübt werden will. Wir sind – zwei Jahre nach Implementierung der neuen Struktur – noch längst nicht am Ende der Weisheit angelangt. Weiterhin sind wir auf der Suche nach Wegen eines gelingenden Miteinanders. Als Vorstand sind wir überzeugt den richtigen Weg eingeschlagen zu haben. Die Resonanz des Umfelds sowie das Interesse anderer Waldorfschulen ist groß. Wir sind motiviert und willens, weiter zu wachsen – persönlich wie auch als Schule. Und wir freuen uns über Mitstreiter, die ebenfalls nach neuen Wegen suchen – innerhalb unserer Schule und im Kontext der Waldorfwelt.

 

Zur Stellenausschreibung Vorstand Pädagogik in Siegen. Wer jemanden kennt, der jemanden kennt…

https://waldorfschule-siegen.de/stellen

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